Von 2016 bis 2018 wurde die Schaufenstergalerie SCHARF in der Stubenberggasse vom contemporary collective graz organisiert und kuratiert. Die Schaufenstergalerie SCHARF stellte den White Cube per se in Frage. Zwischen urbanem Stadtgefüge und Galerieraum oszillierend entstand Kunst. Mit der Kuration der Schaufenstergalerie SCHARF setzte sich das contemporary collective graz das Ziel, innerhalb von Ausstellungsprojekten, die zwischen Ereignis und Werk changierten, über differente gesellschaftspolitische, teils auch prekäre Thematiken, zu reflektieren.
Innerhalb von drei Jahren entstanden 16 Ausstellungen mit 23 Künstler*innen und Kooperationen mit esc medien kunst labor, galerie GALERIE, Ludwig Boltzmann–Institut für Kriegsfolgenforschung sowie mit dem Kunstverein Roter Keil.
Schaufenstergalerie SCHARF
Feinkost Mild
Stubenberggasse 7
8010 Graz
Im NOTFALL – Scheibe HIER einschlagen
Kollektiv SKYBLUE
Mário José Santos Soares und Philipp Strohmaier
14. Dezember 2016 – 28. Februar 2017
Feuernotfallkästen wurden gesammelt, in die namensgebende Farbe des Kollektivs getaucht, von verschiedenen Künstler*innen der Vereinigung neu befüllt und wieder im öffentlichen Raum montiert. So finden sich darin filigran gezeichnete Comics ebenso wie neu miteinander kombinierte objets trouvés aus dem künstlerischen Archiv. Diese Objekte wurden vom öffentlichen Raum in den Kontext der Schaufenstergalerie SCHARF versetzt: Galt im Rahmen der Hängung auf offener Straße noch die Aufforderung zur Interaktion das Glas zu zerbrechen um das Innere an sich zu nehmen – erscheinen sie nun als musealisierte Relikte öffentlicher Aktionen. Zur Eröffnung einer Ausstellung in der Schaufenstergalerie SCHARF finden als konzeptuelles Element der Kuration der Ausstellungsfläche üblicherweise immer Performances statt welche es vermögen das im Schaufenster Präsentierte auf die Straße der Grazer Innenstadt zu tragen. Dieses Mal finden punktuell im öffentlichen Raum Aktionen des Kollektivs statt: Die Passant*innen einer Einkaufsstraße können indem sie das Objekt entdecken und interagieren zu Akteur*innen ihrer eigenen künstlerischen Performance werden. So zieht sich die Idee als performative Intervention durch den gesamten Stadtraum Graz.
Bei diesem Projekt handelte es sich um eine Kooperation mit dem Atelier X. Bei „Kollektiv SKYBLUE“ handelt es sich um ein Pseudonym; dahinter stecken Mario Jose Santos Soarez und Philipp Strohmaier. Die beiden Künstler begannen 2015 mit diesen subtilen Interventionen im öffentlichen Raum. Besonders interessant war, dass die auf die Eröffnung folgenden Wochen die Interaktion von Passant*innen im Stadtraum Graz zu beobachten war: Zahlreiche blaue Feuernotfallkästen wurden leer aufgefunden.
MÖGLICH
Bullet Shih und Josef Wurm
Eröffnungsperformance von Erwin Stefanie Posarnig
3. November – 2. Dezember 2016
Die Ausstellung „MÖGLICH“ mit Josef Wurm und Bullet Shih (beide leben und arbeiten in Ungarn) hinterfragt die Möglichkeiten der Entstehung von Kunst. Wie können zwei differente künstlerische Positionen in einem Schaufenster interagieren? Welche Referenzen bauen sie untereinander im Kontext des öffentlichen Raums auf? Eine Performance von Erwin Stefanie Posarnig wird via Livestream von Lissabon aus nach Graz übertragen. Der Künstler wird spontan mit den im Schaufenster präsentierten Arbeiten interagieren. Damit treibt Posarnig die Quintessenz der Idee hinter diesem Projekt auf die Spitze. Dieses Mal geht es in der Schaufenstergalerie SCHARF um den Prozess in dem zeitgenössische Kunst entsteht, Unberechenbares und Unvorhersehbares. Mit den Worten von Josef Wurm gesprochen in denen er ein altes Sprichwort zitiert: „Mit jeder Entscheidung sterben tausende Möglichkeiten.“
Präsentiert wurde eine installative Arbeit: Bullet Shih entwickelte eine plastisches Werk bestehend aus einer halben Kokosnussschale und einem Geweih mit ungarischem Schriftzug. Josef Wurm ergänzte diese um einen Parasolpilz sowie ungarische Würste. Als künstlerische Installation erinnert beides zusammen an Entstehen und Vergehen. Die Performance von Erwin Stefanie Posarnig wurde in das Schaufenster projiziert. Für den Künstler charakteristisch lagen religiöse Symboliken und eine Hinterfragung bestehender Systeme im Fokus. Im Anschluss präsentierte Josef Wurm spontan eine seiner sogenannten „Feuerperformances“, diese fand erstmalig in Graz statt.
Das Haus, das Verrückte macht. Atelierlandschaft Lego-Keil
Kunstverein Roter Keil
26. August – 2. Oktober 2016
Der Arbeitsweise des Kunstvereins „Roter Keil“ entsprechend wird Neugeborgenes und Altbekanntes in einer selbst-referenziellen Miniatur dargestellt. Alles und Jeder ist auf eine Weise miteinander verbunden. Althergebrachtes und längst Vergessenes oder „Nutzloses“, genauso wie die Überreste einer Stadt und deren Bewohner*innen: Wo sich Ideen sammeln, entstehen, verschwinden oder bleiben: Sich dem ständigen Wandel und seinen Gestalter*innen fügen. Die in der Schaufenstergalerie SCHARF ausgestellte Arbeit versteht sich weniger als Abbild der vorhandenen realen Begebenheiten, sondern vielmehr als gemeinsam erarbeitete und teilweise gelebte Utopie, eines durch und durch chaotisch ineinander verwobenen Atelierlebens. Ein Exkurs des gesamten Ensembles. Nur etwas kleiner. In einem performativen Akt wird dem Szenario Leben eingehaucht: Abbild, Fiktion und Utopie einander streifend.
Innerhalb einer Performance wurde das Objekt im Zuge der Eröffnung beinahe rituell anmutend in das Schaufenster eingesetzt. Durch das Gemeinschaftsprojekt konnte der gesamte Kunst- und Kulturverein Roter Keil für zwei Monate im Schaufenster betrachtet werden – ein Projekt, das über Wochen gemeinsam erarbeitet wurde und zugleich die Situation des Zusammenarbeitens darstellt.
zuRechtgezogen
Alexandra Gschiel
Soundperformance von Eva Ursprung
27. Mai – 22. Juli 2016
Ausgehend von der Thematik des Schönheitswahns unserer Gesellschaft, mit dem sich die Künstlerin Alexandra Gschiel bereits in verschiedenen Projekten beschäftigt hat, entwickelt sie für die Schaufenstergalerie SCHARF ein sozialkritisches Produkt. Vor allem die sogenannten idealen Körpermaße einer Frau – 90-60-90 – werden in dieser Arbeit kritisch in den Blick genommen. Wie sehr werden wir von medial verbreiteten Schönheitsvorstellungen beeinflusst und wie sehr engen sie uns bereits ein? Das Objekt mit einer dazugehörigen Videoarbeit regt, umgeben von einer Vielzahl an Schaufensterauslagen der Mode- und Konsumwelt, zum Nachdenken über eben diese an. Eine Performance der Künstlerin Eva Ursprung belebt die Straße rund um die Schaufenstergalerie SCHARF – und erweitert sie in Form einer auditiven Intervention im urbanen Stadtgefüge.
Das Objekt, ein Korsett aus Maßbändern, und die dazugehörige Videoarbeit verbildlichen das Gefängnis Schönheitswahn. Welche Maße sollte ein Körper nach dem Idealbild haben und welche hat er eigentlich? Wie sehr sollten wir die vorgegeben Idealmaße ernst nehmen und wir ernst nehmen wir sie? Abgerundet wurde die Eröffnung durch eine Soundperformance von Eva Ursprung, die eine klare Verbindung zur ausgestellten Arbeit zeigte. Mit einem Stoffband aus dem gleichen Material wir das Korsett in der Auslage, verklanglichte die Künstlerin das Thema des Engegefühls des Gefängnisses Idealwahn mithilfe ihres Saxophons.
Unterstützt durch das Kulturamt der Stadt Graz und das Land Steiermark, Abteilung 9.